Herr Prof. Krocker gehört zu den wenigen Zeitzeugen, die über die damaligen Ereignisse offen sprechen. Nur so kann Vergangenheit aufgearbeitet und der Charakter des damaligen Systems für die folgenden Generationen transparent gemacht werden. Hier seine Erklärungen zu den Vorgängen von 1971 (leicht gekürzt).
19.11.2007
Sehr geehrter Herr Knoblauch !
Sie stellten mir in der zurückliegenden Zeit in Ihren Mails und anlässlich unserer persönlichen Aussprache eine Reihe von Fragen: Wie funktionierten die Mechanismen ? Wer ,welche Institution, welche Druckmittel, welche Ängste gab es ? Stand man als Professor in Ihrer Position allein auf weiter Flur? Was wäre passiert, wenn …?
Ich will mich bemühen einige Antworten zu geben, sage aber auch, dass dies nach 36 Jahren sehr schwierig ist . .......
Und nun zu dem Vorgang „Aberkennung des akademischen Grades“: Die Entscheidung für die Aberkennung lag nicht bei mir als Sektionsdirektor oder bei Herrn Kliemank als Parteisekretär, sondern in einer deutlich höheren Partei-Ebene. Da die Parteiorganisation des VEB-Wasserversorgung einer anderen Kreisleitung der SED angehörte und die TU eine eigene Kreisleitung hatte, schloß sich der Entscheidungsweg erst über die SED-Bezirksleitung Dresden. Auf Grund der strengen hierarchischen Strukturen innerhalb der SED kann dies nicht anders erfolgt sein.
Als Sektionsdirektor wurde ich von meinen Disziplinarvorgesetzten, dem Rektor (dies war 1971 Prof. Fritz Liebscher - Anm. G.K.), beauftragt, das Aberkennungsverfahren durchzuführen und im Sektionsrat einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen. Der Sektionsrat mit etwa 30 Mitgliedern setzte sich wie folgt zusammen:
- alle Hochschullehrer der Sektion
- Vertreter von SED, FDGB, FDJ
- Sekretär des Sektionsdirektors
-Vertreter der Sektion Marxismus-Leninismus - Vertreter der Praxis
Den Vorsitz hatte der Sektionsdirektor In Vorbereitung der entscheidenden Sitzung des Sektionsrates habe ich in Einzelgesprächen mit einigen Mitgliedern des Sektionsrates versucht, die Aberkennung zu verhindern oder Zeit zu gewinnen, da mir das moralische Unrecht des Verfahrens durchaus klar war. Es stellte sich schnell heraus, dass dies vergebliche Mühe war; die Würfel waren auf anderen Ebenen schon gefallen. Ich hätte mich persönlich dagegen stemmen können. Dazu fehlte mir die Kraft und der Mut. So kam es zu dem Beschluss des Sektionsrates am 15.3.1971 auf Aberkennung Ihres akademischen Grades „Dipl.-Ing „.
Sie stellen die Frage , was mir passiert wäre, wenn …Ich antworte nur: Einiges. Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich keine weiteren Spekulationen dazu anstellen möchte.
Mit freundlichen Grüßen Eberhard Krocker
20.12.2007
Sehr geehrter Herr Knoblauch !
Ihre Mails vom 27.11. und 3.12.07 habe ich erhalten, und ich will versuchen, Ihre Fragen zu beantworten.........................
Zum schriftlichen oder mündlichen Antrag der WAB : In meinem Schreiben vom 7.9.70 an Sie erwähne ich, dass WAB schriftlich den Antrag auf Aberkennung an die TUD gerichtet hat. Mit welcher Begründung ? Dieser Antrag wird wohl nicht mehr existieren!
Zur Begründung der Aberkennung: In Vorbereitung der Sektionsratssitzung und zur Formulierung des Textes hat es Konsultationen von mir mit der Justizabteilung der TU gegeben. Wer den Text dann verfasst hat und wer ihn juristisch geprüft hat, weiß ich nicht mehr.
Mit der Übernahme dieser Mail auf Ihre Homepage bin ich einverstanden.
Mit freundlichen Grüßen Eberhard Krocker
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